Sie sind hier: Günter Taucherei  
 GÜNTER
Berufsleben
Expedition Bolivien
Kolumbien
Ecuador
Taucherei
Peru
Kenia

WRACKTAUCHEN IM WERBELLINSEE

Der Werbellinsee

Der Werbellinsee, einer der schönsten Seen in der Nähe von Berlin, liegt bei Altenhof. Man fährt von Berlin kommend, die Autobahn in Richtung Prenzlau und nach ca. 80 km ist man schon da. Der See ist fast 10 km lang und etwa einen Kilometer breit. Er liegt tief eingebettet in einer bewaldeten Landschaft. Die Ufer fallen im Winkel von 45° steil ab, was sich auch unter Wasser so fortsetzt. Mit seiner mittleren Wassertiefe von 19 m gehört der Webellinsee zu den tiefsten Seein in dieser Region. Die tiefste Stelle beträgt mehr als 50 m. Seit 1965 gehört der Werbellinsee, der Grimnitzsee und die Bugsinseen zu einem großen Landschaftsschutzgebiet von ungefähr 3800 ha Fläche.




 

Antike Wracks

Vom ortsansässigen Taucher H. erfuhren die Taucher des DUC, dass es im Werbellinsee mehrere antike Wracks gäbe. Das Bergungsteam des DUC war ja bei den Museen in und um Berlin schon hinreichend bekannt, nicht zuletzt durch die Bergung eines antiken Kaffenkahns, mit samt seiner Ladung und und den Gegenständen aus der "Bude", in der Oberhavel, zwischen der Insel Eiswerder und der Zitadelle Spandau. Wir hatten die notwendige Erfahrung und die dazu erforderliche umfangreiche Spezialausrüstung und besaßen das Vertrauen der Museen.

So setzte sich unser Taucher-Freund Rüdiger mit dem Schifffahrtsmuseum in Oderberg und dem damaligen Museum für Verkehr und Technik in Berlin auseinander und erwirkte einen schriftlichen Auftrag zur Erforschung zweier gesunkener Lastkähne im Werbellinsee.




Wracktauchen

Das DDR-Regime lag damals schon in den letzten Zügen, es war im März 1990 und so staunten die Grenzer nicht schlecht, als wir mit mehreren Fahrzeugen und Anhängern, beladen mit Bergungsgerät durch die Grenzsperren nach Ostberlin einfuhren, um von dort auf die Autobahn nach Prenzlau zu gelangen. Unser schriftlicher Auftrag öffnete auch den Schlagbaum des in unmittelbaren Nähe von Altenau gelegenen Kinderferienlager "Kinderland", welches durch die Volkspolizei bewacht worden ist. Vor dessen Ufer sollten zwei antike Wracks liegen.

Mit Hilfe des ortsansässigen Taucher H. konnten zwei Wracks, eines in 12,5 m und ein zweites in 15 m Wassertiefe gefunden werden. Ein Wrack, das wir fortan W 1 nannten, war mit Ton beladen. Das zweite Wrack bekam den Namen W 2 und war mit Pflastersteinen beladen. W 1 konnte in seiner Länge nicht genau vermessen werden, weil ein Teil des Schiffes, vermutlich, als es auf den Grund aufsetzte, abgebrochen war. W 2 war 37,5 m lang und in einem verhältnismäßig gutem Zustand.




Weitere Nachforschungen

Für eine weitere Erforschung der Wracks mußte eine noch umfangreichere Ausrüstung herbeigeschafft werden. Zwei größere Boote wurden aus Berlin herangeschafft, vor Ort sind eine Taucherplattform und zwei Ruderboote angemietet worden. Kompressoren für Atemluft und für die Förderanlage, mit der die Sedimente aus den Schiffen durch eines eigens dafür konstruierte Sortieranlage gepumpt werden konnte, wurden gebraucht. Für die Taucher errichtete unser Taucher-Freund Niki ein riesiges Armeezelt, in dem die Taucher ruhen, schlafen, aber auch feiern konnten. Daneben gab es andere Zelte für die Taucher. Ein Anhänger voller PVC-Rohre für die Förderanlage (Durchmesser 110mm), etliche Spezialschellen und ein beweglicher Schlauch mit vorn angesetztem Saugrüssel und viele Meter Luftschlauch wurden zusammengesetzt.

Dort am Ufer des Sees waren wir weit ab vom Schuss und so mußten wir auch an die Verpflegung denken. Was nicht dabei war, egal, ob Ausrüstung, Werkzeug oder Sachen für den persönlichen Bedarf eines jeden Tauchers, konnte vor Ort nicht beschafft werden. Die logistische Planung des Unternehmens war also endscheidend für den Erfolg des Ganzen.




Bergung der Fundstücke

Dann sollte es endlich losgehen. Die Taucherplattform ist über einem Wrack verankert worden, senkrecht an ihr ist der Saugrüssel an seinem beweglichen Saugrohr und an ihm etwa 16m Förderleitung heruntergelassen worden. Unten über dem Grund ist eine Pressluftleitung angeschlossen worden, die Luft in das Förderrohr einblies. Die aufsteigende expandierende Luft erzeugte im beweglichen Saugrohr und Saugrüssel einen Unterdruck, durch welchen dann alles, was kleiner als 110 mm war, angesaugt und nach oben, an die Oberfläche gedrückt wurde. Versetzt vom Wrack ergoß sich der Schlamm, Sand und was sonst noch angesaugt worden ist, in eine sogenannte "Waschstraße", bestehend aus verschiedenen Sieben. Fleißige Helfer hatten alle Hände voll zu tun, damit ihnen keine antiken Gegenstände durch die Lappen gingen. Alle Fundstücke wurden in Körben gesammelt. Größere Gegenstände sind gleich unter Wasser aussortiert worden und traten ihren Weg nach oben in Körben an.

Zu den Arbeiten an den Wracks hatte sich auch Taucher eines ortsansässigen Vereines angeboten und halfen fleißig mit.




Arbeiten an den Wracks

Die Arbeiten an den Wracks zogen sich über Wochen hin. Galt es doch, zwei Schiffe von einer ca. 70 cm dicken Sedimentschicht zu befreien. Die Taucher arbeiteten in ständig wechselnder Tiefe und waren auch oft zur Berichterstattung an der Oberfläche. Dadurch war eine Berechnung der Tauchzeit für den einzelnen Taucher schwierig. Der Einsatz von Tauchcomputern zeigte uns, das wir manchmal verdammt nahe am Zeitlimit waren, also gerade noch ohne eine Pause in 3 m Wassertiefe einzuhalten, auftauchen konnten.

Zwischen der Plattform für die Taucher, den Booten mit der Siebstraße und dem Land wurde ein Pendelverkehr mit einem Boot eingerichtet. Ständig mußten frierende Taucher und Helfer gegen frisch gestärkte ausgetauscht werden und neues Material herangeschafft oder Fundstücke an Land gebracht werden. Auch an Land gab es viel zu tun. Die Pressluftflaschen der Taucher mußten am laufendem Band gefüllt und die Kompressoren kontrolliert werden. Die Lage der Wracks wurde von Land vermessen, Fotodokumentation betrieben und das Tauchercamp, inzwischen mit Ofen und Feldküche ausgestattet, mußte betreut werden. Viel Zeit für eine größere Ruhepause blieb da nicht.




Maße und Daten

W 1 Wassertiefe 12,5 m
  Ladung Ton
  Länge ?
  Breite 4,1 m
  Höhe 1,5 m
W 2 Wassertiefe 15 m
  Ladung Pflastersteine
  Länge 37,5 m
  Breite 4,16 m
  Höhe 1,6 m



Wrackbergung nicht geplant

An den Wracks waren einschließlich des Stammteams des DUC Berlin, bestehend aus, Rüdiger Snay, Matias Fischer, Andreas Vorwerg, Michael Kern und Günter Jürgens siebzehn Taucher im Einsatz, die zusammen 122 Stunden unter Wasser tätig waren. An Land und in den Booten sowie an den Sortiersieben waren 24 Helfer insgesamt 588 Arbeitsstunden im Einsatz.

Beide Schiffe sind freigelegt und vermessen worden. Es konnten etwa 90 antike Gebrauchsgegenstände geborgen werden. Sämtliche Funde sind den Museen übergeben worden (darauf weisen wir ausdrücklich hin). Jedes Fundstück ist gereinigt, fotografiert und katalogisiert worden.

Eine komplette Bergung beider Wracks haben wir von Anfang an nicht ersthaft in Erwägung gezogen. So lange kein Museumsdirektor verkündet, ich habe eine Ausstellungshalle und brauche jetzt ein antikes Schiff, bleiben die Kähne wo sie sind. Die Fähigkeiten zur Bergung haben wir, was wir mit der Bergung des Kaffenkahns aus der Oberhavel bewiesen haben (siehe dazu mein Bericht "Der Kaffenkahn"). Dort unten sind die Kähne gut aufbewahrt und können, falls ein Bedarf besteht, jederzeit geborgen werden. Brächte man sie an die Oberfläche, ohne dass eine aufwendige Konservierung erfolgt und sie dann anschließend fachgerecht gelagert werden, würden die Schiffe im Uferbereich, durch die Einwirkungen der Jahreszeiten und der verstärkten Sauerstoffzufuhr, innerhalb kürzester Zeit vermodern oder sogar dem Wandalismus zum Opfer fallen.




Persönliche Eindrücke

Was mich an der Aktion am meisten beeindruckt hat, ist, das sehr saubere Wasser des Werbellinsee, der stark abfallende Grund, das bereits nach 3 m Wassertiefe eiskalte Wasser, das einem sogar warm eingepackt in einem Trockenanzug frieren ließ, die Arbeiten am W 2, als ich damit anfing, die Sedimente aus der "Bude" zu entfernen. Das Wrack war auffällig gut in Schuß. Die Einfassungen der Bude waren besser verarbeitet, als in allen anderen Wracks, die wir kennen. Die losen Bretter der Bude behinderten zunächst die Arbeiten. Dann konnte ich die Bordwand auf der Landseite bis hinunter auf den Boden des Schiffes säubern. Dabei fiel mir auf, dass ab Oberkante Bordwand der lose Seegrund, bestehend aus reinstem Kies, in einem Winkel von 45° Grad in Richtung Seeufer anstieg. Entfernte ich jetzt die gesamten Sedimente aus der Bude, dann läge der darüber liegende Hang, bestehnd aus losem Kies, mit seiner Last auf der von innen freigelegten Bordwand, so dass diese einbrechen könnte. Die Sache war mir zu heikel und ich unterbrach die Arbeit an der Stelle.

Nach Rücksprache mit Rüdiger wurde beschlossen, die Bordwand mit einem Eisengestell zu vertärken und es landseits an einen dicken Baum zu verspannen. Das Gestell ist angefertigt und am Wochenende darauf eingebaut worden. Die Arbeiten konnten dann wieder aufgenommen werden. Fortan diente das Spannseil den Tauchern, die von Land zum Wrack unterwegs waren, als Wegweiser.






Malstunde am Mastfuß

Ich erinnere mich an meine "Malstunde" am Scherstock / Mastfuß. Um mir einen Sitzplatz zu verschaffen, mußte ich ca. einen Kubikmeter Pflastersteine über Bord werfen. Dann setzte ich mich in das so entstandene Loch auf den Schiffsboden und fertigte auf einem Alublech eine Skizze an. Mit einem Zollstock nahm ich die Maße ab und übertrug sie in meine Skizze. Ein paar kleiner Barsche beobachteten mich mißtrauisch. Es dauerte etwa 45 Minuten, dann kroch die Kälte in meinen Anzug und ich zitterte erbärmlich. Meine steifen Finger konnten den Bleistift nicht mehr richtig halten. Dann bin ich nach oben in die Wärme geflüchtet, mit der fertigen Skizze. Ab 3m Wassertiefe war es taghell und ich spürte die Wärme des Oberflächenwassers.




 

Skizze Mastfuß W2 gefertigt: 5.6.90, in einem Loch von W2 sitzend, Wassertiefe 15 m

 

Dieser Bericht ist nach alten Aufzeichnungen und meinen Erinnerungen gefertigt worden. Sollte einer der Beteiligten an der Aktion diesem noch etwas hinzufügen wollen, dann bitte ich um Nachricht.

© Copyright 2019 Günter Jürgens




Evadora IV wird wieder segeln | Wracktauchen im Werbellinsee - Fundstücke -

Druckbare Version